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Sommerferien.
Oder auch: Radikale Selbstfürsorge. Jetzt!
Seit 21 Jahren gehe ich einer Lohnarbeit nach. 🧑💻 Meine dreijährige Ausbildung, in die ich im zarten Alter von 16 (fast 17) Jahren gestartet bin, zähle ich mal mit. In dieser Zeit habe ich in fünf verschiedenen Unternehmen gearbeitet. Mein längster Arbeitstag betrug ziemlich genau (und ungelogen) 26 Stunden und 30 Minuten (an diesem Tag bin ich dann auf dem Nachhauseweg über eine rote Ampel gedonnert – hätte also mein letzter sein können) und meine längste Arbeitswoche … ach lassen wir das. Nebenbei war ich selbstständig, weil das Geld oft nicht reichte, und ich habe zwei nebenberufliche Weiterbildungen (zur Medienfachwirt*in und zur Betriebswirt*in) gemacht. Drei Jahre keinen Samstag und dann nochmal zwei Jahre nach acht Stunden Lohnarbeit jeweils vier Stunden Unterricht plus Vollzeitwochen im knappen Urlaub. Das Lernen oder das Schreiben von Haus- und Abschlussarbeiten fallen da kaum ins Gewicht. Mein längster Urlaub in – wir erinnern uns – 21 Jahren: Drei Wochen. Letztes Jahr, btw in Magdeburg, Halle und im Thüringer Wald – schön war’s!
Dann waren da noch die sechs Wochen, in denen ich wegen Depressionen und Angststörung kaum meine Wohnung verlassen konnte oder ich nach minutenlangem Starren auf eine Mehltüte im Supermarktregal schamvoll den Laden verließ, weil ich einfach nicht mehr wusste warum, weshalb und ob überhaupt. Aber mit den sechs Wochen war’s dann auch einfach genug. Genug gechillt, zurück ins neoliberale System freiwilliger Selbstausbeutung, wo „Gestaltungsspielraum“ gern mal synonym für absolute Planlosigkeit von (einigen – keine Verallgemeinerungen à la Friedrich Merz) Führungskräften steht und „auf Sicht fahren“ die ultimative Floskel ist, um sich auch wirklich vor jeder Entscheidung drücken zu können, die aus der zumeist selbst eingebrockten Misere herausführen könnte.
Apropos „heraus“: Ich habe mich kürzlich für eine Auszeit entschieden und mich damit zunächst für den Weg heraus entschieden. Was ich kann weiß ich. Unerfolgreich war ich auch nicht, auf vieles bin ich unglaublich stolz und an Jobangeboten mangelt es mir gerade auch nicht. Doch das Bewusstsein dafür, was ich (beruflich) wirklich will, ist mir in den letzten Jahren abhanden gekommen. Von einer Station/Herausforderung/Krise zur nächsten. Machen, tun, schaffen (wie wir hier im badischen so schön sagen). Lob, Meilensteine, Anerkennung, die Welt retten. Als ob. 🤷
Die geneigte Leser*in, welche bis hier hin folgen konnte, fragt sich nun vielleicht: Was, Oli Lou, was willst du mir sagen? Und ich antworte: Vielerlei! Vor allem möchte ich sagen, dass ich mir nun eine ganz bewusste Pause gönnen werde. All die Unsicherheiten, vor allem die finanziellen, die damit verbunden sind, können mich mal. Quasi, „Radikale Selbstfürsorge. Jetzt!“. Ich möchte all die Gedanken, die mich an diesem Punkt gebracht haben und mich mit Blick in die Zukunft umtreiben, sortieren. Außerdem, möchte ich im Grunde jede Person, die das hier liest, mit meinem revolutionären Geist, der mir in meiner Kindheit von Karla Kolumna über Benjamin Blümchen-Hörspielkassetten indoktriniert wurde, dazu ermuntern, auszubrechen, in Frage zu stellen und wieder mehr zu wollen, statt immerzu zu müssen.
Ich genieße nun meine ersten Sommerferien seit 21 Jahren! Werde auf meinem Acker arbeiten, werde auf alten und neuen Pfaden den Schwarzwald erkunden und meiner Liebe zur Fotografie mehr Raum geben, werde lesen, schreiben und … so mein Plan, im letzten Quartal 2023 wieder an den Start gehen. Wenn es also Menschen gibt, die Dinge tun, welche der Gesellschaft einen Mehrwert bieten (ja, ich bin so schlimm idealistisch und will nicht dabei helfen Dieselfahrzeuge, Versicherungen oder Babyshampoo mit Einhornprinzessinenglitzermist zu verkaufen) und dabei eine Allrounder*in in den Bereichen Medien, Kommunikation und Betriebswirtschaft gebrauchen können ➡️ schreibt mir.
Link zum Post | Meta: auszeit, redikale selbstfürsorge, sommerferien | 14-07-2023